Perspektivenwechsel mit Fritz Kretzschmar

Ich freue mich einen neuen Blogger, im Kreis der Prothesenträger, für einen Perspektivenwechsel gewonnen zu haben. Anfang diesen Jahres hat Fritz seine eigene Seite gestartet, auf der er über seine Geschichte und seine sportlichen Ambitionen nach der Amputation schreibt.

Einen ersten Einblick was euch auf seinem Blog erwartet und was sein Motivation ist, andere Menschen an seinen Fortschritten teilhaben zu lassen, erfahrt ihr nachfolgend.

1) Welchen persönlichen Bezug hast du zum Thema Amputation?

Ich bin nach einer längeren Krankheit im Oktober 2013 rechts Oberschenkel amputiert worden.

Im Jahr 2004 war ich noch kerngesund und bin aktiv durchs Leben gegangen. Bergwanderungen, Laufen und Fußball waren meine Hobbys.

Als ich mich dann Anfang 2005 einer Routineoperation unterzogen habe, stellte sich mein Leben komplett auf den Kopf.

Mein rechter Unterschenkel und mein Knie waren mit Krankenhauskeimen (MRSA und Streptokokken) befallen. In den folgenden Jahren begann eine Odyssee durch mehrere Krankenhäuser und es folgten viele weitere Operationen. Aber keine der Operationen konnte das Problem der Infektion stoppen.

Mit der Zeit wurde der Zustand meines rechten Beines immer schlimmer und somit sank auch meine Lebensqualität. Nach ca. 400 stationären Tagen in Krankenhäusern in München, Bochum, Trier, Wittlich und nach 24 Operationen, erfolgte dann im Oktober 2013 meine 25. Operation, das war die Amputation.

Der Prozess bis zu meiner heutigen Versorgung und meinen Aktivitäten war ein langer Weg, in dem Geduld und Wille sehr wichtig waren.

Im ersten Jahr musste ich mich mit einer Interimsversorgung zunächst an die neue Lebenssituation gewöhnen. Während der Gewöhnungsphase waren wir aber auch schon auf der Suche nach der endgültigen Prothesenversorgung. Am Ende wurde es ein Otto Bock Genium x3.

Um dann wieder richtig aktiv werden zu können, musste ich aber viel trainieren, üben und auch hier wieder einige Geduld haben. Mittlerweile sind Wanderungen mit 14 km Länge kein großes Problem mehr. Zudem habe ich mit dem Laufen begonnen. Mit der richtigen Versorgung habe ich auch wieder an Lebensqualität gewonnen.

2) Welche Veränderungen hast du in deinem Leben nach deiner Amputation wahrgenommen?

Von meiner Familie und meinen Freunden habe ich stets große Unterstützung erfahren. Auch sonst habe ich Gott sei Dank bisher selten negative Erfahrunen machen müssen.

Im September diesen Jahres durfte ich in die inklusive Trainingsgruppe „Fit mit Prothese“ in Leverkusen einsteigen. Unter professioneller Anleitung machen wir Übungen für Rumpfstabilität, Gleichgewicht und Lauftraining. Der Weg bis nach Leverkusen ist zwar ein Stück, aber es lohnt sich definitiv. Neben den sportlichen Aktivitäten hilft mir der Austausch mit anderen Menschen, die mit einen Handicap leben, zusätzlich mich weiterzuentwickeln. Das ist unbezahlbar!

Die Sportprothese die ich fürs Lauftraining benötige, habe ich aus eigener Tasche bezahlt. Leider hat das meine Krankenkasse nicht übernommen.

Als ich mich im Internet auf die Suche nach Infos über mögliche Wanderrouten mit Prothese in den Alpen gemacht habe, habe ich festgestellt, dass es leider nicht viele Prothesenanwender gibt die davon berichten. Daher habe ich mit entschlossen auf meinem Blog „Aktiv mit Prothese“ www.aktivmitprothese.de darüber zu berichten.

Mein Ziel ist es wieder eine richtige Bergtour in den Alpen zu machen. Zudem würde ich gerne mit der Sportprothese besser klar kommen und irgendwann einmal den Trierer Silvesterlauf mit 8 km Distanz schaffen. Dieser Lauf war 2004 meine letzte echte sportliche Aktivität vor meiner Erkrankung.

3) Wer und was hat dich bestärkt auf deinem Weg? Wer und was hat dich behindert?

Bestärkt hat mich meine Familie und mein eigener Wille wieder fit zu werden. Zur Zeit der Amputation war meine Frau schwanger, alleine das war schon Grund genug wieder auf die Beine zu kommen.

Ich habe das große Glück in einem verständnisvollen Umfeld leben zu dürfen. Als Rückschlag oder echte Behinderung habe ich nur meine Krankenhausaufenthalte nach der Amputation empfunden.

Nach ca. 2 Jahren musste der Stumpf etwas nachamputiert werden. Das verlief leider, wie hätte es auch anders sein sollen, nicht ganz ohne Komplikationen. Hier kamen am Ende wieder vier OP´s zusammen.

4) Wenn du eine Zeitreise machen könntest, was würdest du deinem damaligen Ich kurz nach der Amputation sagen?

  • Bleib geduldig.
  • Erledige einen Schritt nach dem anderen.
  • Verliere nie den Mut, auch wenn schwierige Situationen kommen.
  • Suche dir Vorbilder, an denen du dich orientieren kannst.

5) Auf einer Skala von 1-10 wie zufrieden bist du mit dem Stand der Inklusion in Deutschland?

Ich denke 6 – 7. Es wird sicherlich von staatlicher Seite einiges gemacht, aber es müssten noch ein paar Dinge verändert werden.

Auf privater Ebene finde ich die Reaktionen der Mitmenschen sehr interessant. Hier lobe ich mir die Kinder, die ganz neugierig fragen und von mir dann auch immer eine Antwort bekommen.

Dagegen trauen sich Erwachsene oft nicht mich auf die Prothese anzusprechen oder schauen absichtlich weg. Das stört mich aber nicht, da ich nicht mit Jedem über meine Behinderung sprechen muss.

6) Was müsste aus deiner Sicht passieren um diesen Wert zu erhöhen?

Ganz wichtiges Thema finde ich die Vereinfachung bei der Beantragung von Hilfsmitteln.

Ein Mensch der amputiert wurde hat entweder einen schweren Unfall und damit einen Schockzustand zu bewältigen oder wurde nach einer längeren Krankenphase amputiert, was auch jede Menge Kraft kostet. Wenn das Schlimmste vorbei ist, kommt ein mitunter langer und zäher Kampf mit den Krankenkassen. Das müsste unbedingt anders werden.

Ein einfaches Beispiel: Ich habe das große Glück, dass ich grenznahe lebe, in Luxemburg arbeite und dort krankenversichert bin. Die Bewilligungszeit meiner Prothesenversorgung (im oberen Preisbereich) hat exakt zwei Wochen gedauert! Die Beantragung und Bewilligung der Prothesenversorgung ist in Luxemburg recht unkompliziert und zügig. Das spart dem Antragsteller Zeit und vor allem Nerven (die man in so einer Lebenssituation evtl. nicht mehr hat). 

Eine Bekannte hat mit den deutschen Krankenkassen ein gutes Jahr gekämpft, um die Genehmigung ihrer Prothese. Die Bürokratie und die Bearbeitungszeit muss in Deutschland definitiv minimiert werden.

Wenn ihr noch mehr über Fritz erfahren möchtet, verlinke ich euch nachfolgend einen Beitrag im SWR über ihn:

https://www.swrfernsehen.de/~embed/landesschau-rp/wie-das-leben-auch-nach-einer-amputation-weiter-geht-100.html

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