Perspektivenwechsel mit Corinna Heiss

Anwenderin mit BeinprothesePerspektivenwechsel mit CorinnaOberschenkelprothesenanpassung

Lebenserfahrungen verbinden, auch über Landesgrenzen hinweg, daher freue ich mich immer sehr, wenn ich auch aus Österreich und der Schweiz positives Feedback zu meinem Blog bekomme. Eine sehr engagierte Mitstreiterin aus der Nähe von Wien, welche nachfolgend offen ihre Geschichte erzählt und welche Pläne sie für die Aufbau der österreichischen Amputee-Community hat, ist die liebe Corinna. Lasst euch von ihren Erfahrungen motivieren und inspirieren!

1) Was war der Grund für deine Amputation und seit wann bist du amputiert?

Vor knapp 5 Jahren, genauer gesagt am 12. April 2014, ging ich um die Mittagszeit mit meinem Freund aus seinem Elternhaus Richtung Auto.
Dabei krachte ein herannahendes Fahrzeug mit voller Geschwindigkeit in mein geparktes Auto und schleuderte es auf uns zu. Meinem Freund ist zum Glück außer ein paar Prellungen nichts passiert – mir hat es neben ein paar Brüchen (Becken, Schambein, Hand, etc.) an Ort und Stelle den rechten Fuß abgerissen. Man sollte eben nicht vor einem Zaun mit Steinkante stehen, wenn man von einem Auto getroffen wird. Obwohl mir der zerbrochene Holzzaun wahrscheinlich das Leben gerettet hat.

2) Was ist die größte Veränderung für dich mit der Amputation gewesen?

Es gibt vieles das sich verändert hat, aber damit meine ich nicht nur Physisches. Na klar, man muss sich mit der Prothese und dem Leben als Amputierte erst einmal zurechtfinden, man muss sich selbst wieder finden.
Ein solches Erlebnis verändert Jeden. Und es verändert die Sicht auf viele Dinge. Kleinigkeiten, die für mich früher ein großes Drama gewesen wären, über die lache ich jetzt.
Man muss aber im Gegenzug dazu lernen, die „kleinen Dramen“ von Familie und Freunden nicht als belanglos abzutun. Denn Jeder kann nur das nachvollziehen, was er selbst erlebt hat. Außerdem begreift man in dieser Zeit, wem man wirklich wichtig ist. Es gibt viele Leute, von denen ich gedacht hätte sie würde mich besuchen kommen, sich melden – doch ich habe nichts von ihnen gehört. Sogar aus der eigenen Familie. Dafür sind Menschen aufgetaucht, von denen ich es nicht erwartet hätte – und das hat mich dann umso mehr gefreut.

Natürlich gibt es auch viele negative Veränderungen, der Umgang von Fremden zum Beispiel, eine plötzliche „Berühmheit“, die man sich nicht gewünscht hat. Ich komme aus einem kleinen Dorf, da kennt Jeder jeden. Ich glaub es kann sich Jeder vorstellen, welche Gerüchte da im Umlauf waren. Als ich das erste Mal wieder ins Kaffeehaus ging hätte man eine Stecknadel fallen lassen können. Und eine Bekannte meiner Großmutter hat angefangen zu weinen, als sie mich das erste Mal sah.

Und die mitleidigen Blicke, die einem überallhin folgen, vor allem in der ersten Zeit. Damit ist es immer noch schwer klar zu kommen. Man versucht zu zeigen, dass man sein Leben wieder weiterführen kann und wird trotzdem immer das Mädchen bleiben, „das von einem Auto überfahren wurde“.

3) Was ist dein größter Ansporn gewesen wieder fit zu werden bzw. fit zu bleiben?

Mir selbst und anderen zu beweisen, dass ich mein Leben weiterführen kann. Ein Arzt im Krankenhaus wollte mich damals vor der Reha für ein paar Wochen nach Hause schicken – ich habe mich geweigert.
Ich wollte erst dann wieder nach Hause, wenn ich wieder gehen konnte. Ich wollte mir selbst und allen anderen zeigen, dass ich so wieder komme wie ich gegangen bin. Dass niemand Mitleid mit mir haben muss.

4) Welchen Rat würdest du anderen Amputierten geben?

Meine Oma hat immer gesagt: „Der Herrgott gibt uns nie mehr auf, als wir bewältigen können.“

Ihr seid stark, also gebt nicht auf! Es kommt nur auf dich selbst an. Mit genügend Motivation und Durchhaltevermögen ist wirklich alles möglich. Manchmal muss man vielleicht ein bisschen kreativ sein um sein Ziel zu erreichen, aber das müssen Andere auch oft.
Dass du Dinge nicht schaffst liegt nicht daran, dass es nicht möglich ist sondern, dass sie dir nicht wichtig genug waren um durchzuhalten. Und dann sollte man damit sowieso nicht weitermachen.

5) Was möchtest du noch gerne loswerden und soll die Welt über dich erfahren?

Ich führe mein Leben, wie ich es möchte und ich glaube daran, das nichts ohne Grund passiert. Dass ich genau jetzt hier sein sollte, dass ich Anderen mit meinen Erfahrungen helfen kann und ich gebe meinen Erlebnissen wiederum einen Sinn indem ich genau das tue. Wenn ich nur einem Menschen mit meiner Situation helfen kann, dann hat sich der Unfall schon irgendwie gelohnt. Daher engagiere ich mich sozial soweit es geht. Es gibt im Bereich von Menschen mit Behinderung und speziell mit Amputation noch so viel zu tun.

Da ich aus Österreich komme und es hier keine Vernetzung zwischen den Amputierten gibt , das ist ein echtes Problem. Wir haben keinen Verein an den wir uns wenden können, kein Gesetz das für uns spricht. Wir haben nur einen „Kriegsopferverband“ und ein „Gesetz zur Kriegsopferversorgung“ – es sind nur Richtlinien, denn wir „Neu-Amputierte“ zählen ja nicht mehr dazu.

Jedenfalls versuche ich das zu ändern. Gemeinsam mit dem Allgemein Krankenhaus in  Wien haben wir auf der Unfall-Station eine Art Peer-Programm eingerichtet. Wenn Jemand vor oder nach einer Amputation Jemanden haben möchte, der ihn durch den ganzen Prozess betreut, dann komme ich gerne und wir unterhalten uns. Oder wir treffen uns woanders, oder telefonieren. Wenn ich Jemandem mit dem Wissen, dass ich in den letzten vier Jahren angesammelt habe helfen kann, dann kann man mich jederzeit anrufen.

Mein Ziel ist es, so ein Programm irgendwann auch österreichweit anzubieten und dass es in Zukunft einen Verband gibt, der sich für die Interessen der Amputierten einsetzt. Dass es Jemanden gibt, an den man sich wenden kann, wenn man Fragen hat. Denn das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste in so einer Situation.

Dazu planen wir im Mai 2019 zum ersten Mal ein Österreichisches Amputiertentreffen. Falls das hier also Jemand aus Österreich lesen sollte, dann kommt vorbei.
Natürlich sind auch alle Leute aus unseren Nachbarstaaten eingeladen – Jeder der kommen möchte ist herzlich willkommen!

1. Österreichisches Amputierten-Treffen findet am 25. Mai 2019 ab 11:00 Uhr Im Hotel „Zeitgeist“ Sonnwendgasse 15, 1100 Wien statt. Anmeldung ist möglich unter: amputiertentreff@gmx.at

Abschließend möchte ich noch sagen, dass das Leben als Amputierte vor allem in der ersten Zeit wirklich kein Zuckerschlecken ist und man mehr Geduld braucht, als man aufbringen kann. Aber wenn man dafür offen ist, dann eröffnen sich einem neue Perspektiven, neue Wege. Es gibt einem Zeit darüber nachzudenken, was man wirklich machen möchte. Und das dann auch umzusetzen.

Und vergesst nicht: Ihr seid nicht alleine, wir sind alle eine Gemeinschaft mit denselben Fragen und denselben Ängsten. Falls ihr Rat braucht, dann scheut euch nicht mich über Danielas Blog oder über Social Media zu kontaktieren.

Den Worten von Corinna kann ich mich nur anschließen. Keiner von uns muss allein mit seiner neuen Lebenssituation fertig werden. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten sich Hilfe zu holen. Eine tolle Chance sich mit anderen Betroffenen auszutauschen ist sicher das Amputiertentreffen in Wien-> also meldet euch an und seid dabei, des werd leiwand!

Liken, teilen und weitererzählen!

Eure CarbonEla

 

2 Kommentare zu „Perspektivenwechsel mit Corinna Heiss

  1. Hallo! Es freut mich dass du so positiv geworden bist. Ich glaube wir kennen uns von deiner ersten Reha, als du noch mit einem komplett verbauten Schaft von Bständig gekommen bist (ich hoffe ich irre mich jetzt nicht).
    ich bin seit 2008 oberschenkelamputiert und werde natürlich beim 1. Amputiertentreffen dabei sein. Ich freue mich darauf dich kennen zu lernen und unsere Erfahrungen auszutauschen. Mein Motto: aus allem schlechten entspringt was gutes“
    LG Andreas 😄 😄

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