Perspektivenwechel mit Angelika Trabert

Angelika Trabert mit Pferd

Über Social Media bin ich auf eine weitere Powerfrau aufmerksam geworden und verfolge seitdem fleissig ihre Auftritte als erfolgreiche Dressurreiterin, ihr ehrenamtliches Engagement als Ärztin in Westafrika, als Repräsentantin der deutschen Parasports für die olympischen Spiele 2020 in Tokio und vieles mehr. Dabei rückt die Tatsache, dass Angelika ohne Beine unterwegs ist absolut in den Hintergrund.

Ich freue mich sehr, dass sie sich bereiterklärt hat beim Perspektivenwechsel teilzunehmen und viele spannende Einblicke in ihr Leben zu geben:

1) Was ist der Hintergrund, dass du auf Hilfsmittel angewiesen bist?

Ich wurde 1967 geboren und irgendwie kam der Bausatz unvollständig an, ohne Beine. Ich war vom Umtausch ausgeschlossen und so bereitete ich meinen Eltern sicherlich am Anfang einiges an Kopfzerbrechen und Sorgen. Wussten sie doch nicht inwiefern ich selbständig werden würde und wie es mit einer Ausbildung oder aber auch mit einem Studium und überhaupt der Schule klappen würde.

2) Was war die größte Herausforderung für dich?

Für mich war es das Normalste der Welt, zumindest als Kind . Ich habe alles gemacht was ich machen wollte und zum Glück habe und hatte ich Eltern, genauso wie Verwandte die mich immer, wo sie nur konnten, gefördert und gefordert haben. Dies ist sicherlich eine der wichtigsten Voraussetzungen um nachher ein selbständiger Mensch zu werden.

In der Pubertät wurde es dann für mich schwieriger , denn Einiges konnte ich nicht genau so mitmachen wie z. B. tanzen gehen oder auch Skifahren, zumindest dachte ich das damals! Mein Vater hat mir zum wiederholten Male gezeigt, dass das nicht stimmt in dem er so lange herum telefoniert hat, bis er eine Möglichkeit für mich gefunden hatte. Der Parasport war noch in den Kinderschuhen und wir waren sehr glücklich in Tübingen jemanden zu finden, der uns einen umgebauten Mono Ski , Marke Eigenbau, auslieh. Mit ihm ging es nach Zell am See, wo mir ein Kriegsveteran, beidseits Oberschenkelexartikuliert, das Skifahren beibrachte .

Wieder einmal war eigentlich das allergrößte Problem die Unflexibilität der Menschen ohne Handicap, die sich dies einfach nicht vorstellen konnten und mich deshalb lieber erst einmal gar nicht mit dem Lift mitnehmen wollten . Der Beharrlichkeit meines Vaters war es damals zu verdanken, dass dies letztendlich doch glückte und ich zu einem recht ordentlichen Skifahrer wurde.

Ich muss zugeben, dass ich grundsätzlich mit wenig Vorurteilen zu kämpfen hatte, das mag allerdings auch daran gelegen haben, dass ich zu der Zeit als ich studiert habe, noch Alles mittels meiner Oberschenkelprothesen gelaufen bin. Daher haben die meisten nur angenommen, dass ich vielleicht ein Problem mit der Hüfte habe. Natürlich war es manchmal beschwerlich alle vorhandenen Treppen hinauf zu kommen. Die Examina sind mir aber genauso schwer oder leicht gefallen wie Anderen eben auch.

Eigentlich wollte ich schon als Kind Tiermedizin studieren, allerdings war mir klar, dass es mit den Großtieren, an denen ich eigentlich gefallen hatte, schwierig geworden wäre. In der Humanmedizin hat man viel mehr Möglichkeiten und man ist auch was die Spezifizierung angeht sehr viel flexibler. Im Nachhinein hat sich die Wahl als sehr gut erwiesen und auch die Wahl des Facharztes in der Anästhesie war eine gute! Es war möglich meinen Sport gemeinsam mit der Arbeit zu verbinden und letztendlich Alles unter einen Hut zu bekommen, auch wenn es des öfteren ein Spagat ist und bleibt.

3) Begegnen dir Menschen anders je nachdem welches Hilfsmittel du verwendest?

Es ist in der Tat so, dass Menschen anders darauf reagieren wenn man in einem Rollstuhl sitzt oder wenn man mit Prothesen läuft und gegebenenfalls Krücken dabei hat!

Ich habe es schon öfters am eigenen Leib erfahren im Rolli, dass man nicht selbst angeschaut wird, wenn Jemand etwas von einem möchte, sondern die Begleitperson wird angesprochen! Genauso habe ich es schon erlebt, dass man mich in einem Rollstuhl sitzend einfach zur Seite schiebt, weil ich vermeintlich im Weg gestanden habe!

Natürlich kann ich mich darüber aufregen, das würde aber die Sache nicht wirklich besser machen. Von daher schmunzle ich in mich hinein und stelle mich dann demonstrativ entweder der Person in den Weg oder aber spreche sie direkt an. Ich denke nur so kann man dies auf Dauer verändern!

Hat man hingegen Krücken bewegt man sich auf der gleichen Höhe. Dies macht anscheinend für die Menschen einen Unterschied. Hier würde man mich auch nicht zur Seite schieben und ich denke man wird schneller ernst genommen. Zum Glück habe ich die Möglichkeit dieses zu tun und auch zu nutzen. Manchmal ist es einfach wichtig seinem Gegenüber auf gleicher Höhe in die Augen zu schauen. Das heißt natürlich nicht, dass man dies nur auf „hohem“ Niveau mittels zweier Beine tun kann, das Gegenüber kann sich ja auch z. B. auf einen Stuhl setzen.

4) Was ist dein größter Ansporn fit zu bleiben?

Zum Glück war ich soweit immer fit! Und meine Motivation waren schon mein Leben lang die Pferde! Sie haben mich durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Ich bin meinen Eltern, meiner Oma und meinem Großonkel zutiefst dankbar, dass sie mich nicht daran gehindert haben das Reiten zu erlernen, auch wenn es sicherlich nicht das naheliegendste Hobby für Jemanden ohne Beine ist!

Die Pferde haben mich ein ganzes Stück weit zu dem gemacht was ich heute bin, ein selbstbewusster, geradliniger und direkter Mensch. Sie haben mich und meinen Charakter sehr stark geprägt, wobei ich nicht grundsätzlich schon immer Dressurreiten wollte, vielmehr waren es die Westernfilme und die darin vorkommenden Indianer, die es mir in meiner Kindheit angetan hatten. Sie ritten ohne Sattel und bildeten eine Einheit mit dem Pferd, dies war und ist immer noch mein Ziel. Die Freiheit die sie gemeinsam mit ihren vierbeinigen Partnern verkörperten war für mich Ziel und Vorbild zugleich.

5) Welchen Rat würdest du anderen Amputierten geben?

Ich denke es ist generell schwierig einen pauschalen Rat zu geben, denn jeder Mensch ist anders, hat andere Schwerpunkte, andere Sorgen und Nöte. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass das was mein Lebensmotto beinhaltet das Wichtigste ist:

IT’s ABILITY NOT DISABILITY THAT COUNTS!

Jeder Mensch hat sein Handicap. Bei dem einen ist es offensichtlicher bei dem Anderen weniger offensichtlich. Aber was noch viel wichtiger ist, Jeder hat seine Fähigkeiten und seine Möglichkeiten. Diese muss man vielleicht, wenn man ein Handicap erwirbt, neu definieren und sich neu positionieren. Auf jeden Fall aber sollte man an seinen Träumen und seinen Zielen festhalten. Es gibt immer einen Weg auch wenn dieser manchmal vielleicht etwas steiniger ist. Was zählt ist, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren!

6) Was möchtest du noch gerne loswerden und soll die Welt über dich erfahren?

Das ist eine gute Frage und schon öfters habe ich mir selbst die Frage gestellt, ob es denn Sinn macht mein Leben öffentlich zu machen. Diese Frage habe ich 2005 mit JA beantwortet, denn ich habe festgestellt, dass es immer wieder Menschen gibt die durch das was ich tue etwas mehr Mut haben und vielleicht ihr Leben ein bisschen anders angehen, insbesondere wenn sie gerade in einem Tief stecken.

Wichtig ist mir also, dass Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und wenn ich dazu in der ein oder anderen Weise als Vorbild dienen kann, dann mache ich das gerne. Wer also will, der folgt mir auf Facebook oder instagram oder schaut einmal auf meiner Webseite http://www.angelika-trabert.de vorbei.

Seit 2009 bin ich regelmässig mit einer kleinen Hilfsorganisation namens Mango e.V. im westafrikanischen Guinea als Narkoseärztin tätig. Natürlich studierte ich Medizin aus einem Grund, ich wollte Menschen helfen! Diese Hilfseinsätze in einem Dritte Welt Land haben für mich große Bedeutung, denn dort kann ich das tun was mir liegt, nämlich organisieren und improvisieren.

Außerdem ist es meine „Erdung“, jedesmal wird mir aufs Neue bewusst welch privilegiertes Leben wir hier in Deutschland führen. Es gibt nicht so viele Länder, in denen ich die gleichen Möglichkeiten gehabt hätte Medizin zu studieren und ein unabhängiges selbstbestimmtes Leben zu führen. Aus diesem Grund habe ich auch gemeinsam mit meinem guineischen Mann 2018 die Hilfsorganisation ‚Sundjata‘ gegründet.

Unser Ziel ist es Menschen mit Handicap ein würdevolles und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wir unterstützen Projekte von Menschen mit Handicap die ihnen eine gewisse Selbständigkeit ermöglichen und versuchen sowohl ihnen den Zugang zu Bildung, wie auch zu Hilfsmittel zu ermöglichen.

 

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