Amputees erzählen: Ist Endo-Exo Versorgung die Lösung?

 

Endo-Exo Prothesenversorgung

Immer wieder taucht das Thema Endo-Exo Prothesenversorgung in den Facebookgruppen der Amputees auf. Diese Art der Prothesenversorgung kommt ohne Schaft aus, denn hier wird ein Implantat im noch vorhandenen Knochen eingesetzt, welches dann die Verbindung zur Prothese darstellt. Immer mehr Anwender interessieren sich für diese Art der Versorgung. Wer Probleme hat mit herkömmlichen Schäften, wg. Schwitzen oder offenen Stellen, für den kann Endo-Exo eine dauerhafte Lösung sein.

Vereinfacht gesagt, besteht die Endo-Exo-Prothese aus zwei Teilen:

1) Ein Endosystemteil, das in den Knochen fest implantiert wird und mit diesem verwächst (Osseointegration).

2) Ein Exosystemteil, an das die Prothesenbauteile wie Kniegelenk oder sonstige Anschlussteile angeschlossen werden.

Endo

Durch diese Endo-Exo-Beinprothese verläuft die Kraftübertragung wieder so, wie es die Natur vorgesehen hat: über den Knochen. Das bedeutet maximale Mobilität und ein sicheres, harmonisches Gangbild ohne die störenden Randbereiche eines Prothesenschaftes.

WAS SIND DIE VORTEILE EINER OSSEOINTEGRATION?

Für Patienten mit Amputation bietet die Osseointegration gegenüber der Schaft-Prothese eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • Mehr Beweglichkeit
  • Präzise Führung der Prothese
  • Mehr Aktivität
  • Größerer Tragekomfort u.a. auch beim Sitzen
  • Einfache Handhabung
  • Volumenschwankungen des Stumpfes haben keine Auswirkung
  • Direkte Verbindung zum Körper ohne Schaft

WAS KÖNNEN NACHTEILE EINER OSSEOINTEGRATION SEIN?

Als Nachteil gilt das tägliche mit Wasser und Seife zu reinigenden Stoma – also der Stelle, wo das Implantat aus der Haut tritt, um das Risiko einer Infektion zu minimieren. In der ersten Phase nach einer Endo-Exo-Versorgung können vereinzelt Muskelschmerzen auftreten, die in der Regel nach einiger Zeit wieder abklingen, wenn die Muskeln fitter und stärker werden.

Zwei Amputess die sich der Operation unterzogen haben, nehmen uns nachfolgend mit auf ihrem Weg bis zur Entscheidung für das Verfahren und wie sie heute damit umgehen:

Anwender mit Endo-Exo Beinprothese

 

1) EUGEN was war der Grund für deine Amputation und seit wann bist du amputiert?

Im Juli 2013 wollte ich Betonstufen mal kurz wegräumen, die ich zum Reinigen auf Böcke gelegt hatte. Dabei bin ich wohl gestolpert und die Stufen sind auf mein rechtes Bein gefallen. Offener Femurbruch, offener Schienbeinbruch, kaputtes Sprunggelenk und große Abschürfungen am Oberschenkel waren die Folge. Die Ärzte sagten mir es gibt eine 50/50 Chance, das Bein zu erhalten.

Nachdem ich schon einige OPs hinter mir hatte und mich ein ebenfalls Oberschenkelamputierter besucht hatte, habe ich mich in Abstimmung mit den Ärzten zur Amputation entschieden. Gefühlsmäßig existierte mein rechtes Bein nur noch bis zum Oberschenkel. Im Rest des Beines hatte ich keine Gefühle mehr. Ich wollte so schnell wie möglich wieder aktiv sein, zurück in mein Leben und zurück in meinen Beruf kommen. Im August 2013 wurde mein rechtes Bein amputiert.

2) Was ist die größte Veränderung für dich mit der Amputation gewesen?

Von Anfang an bin ich auf meine Mitmenschen offen zugegangen und habe mich so verhalten, wie sie es von mir auch vor der Amputation gewohnt gewesen sind. Ich glaube fast, dass es für die Menschen um mich herum mehr Veränderung war als für mich. Bis Dezember 2013 hatte ich noch keine Prothese.

Da meine Familie und ich im 1. OG gewohnt haben, war es am Anfang eine Herausforderung die Treppe hoch und auch runter zu kommen. Aber auch das hat dann geklappt. Dann bekam ich meine erste Prothese. Ich dachte, das bekommst Du nie hin.

Aber jeder Tag brachte Erfolge. Ich bin wieder voll in meinem Beruf eingestiegen. Als Dozent und Trainer für Anwendungssoftware bin ich die Hälfte der Woche oft in Schulungen oder stehe vor den Studierenden und halte Vorlesungen. Am Anfang sahen mich die Kunden und auch die Studierenden auch öfter ohne Prothese. Der Grund dafür war, dass ich mit der schaftgeführten Prothese Probleme bekommen habe. Dadurch bin ich zu Hause fast nur mit Gehstützen unterwegs gewesen.

3) Wie kam es zur Entscheidung die EndoExo-Versorgung machen zu lassen?

Seit längerer Zeit hatte ich mich damals auch schon mit der Möglichkeit einer EndoExo-Femurprothese (EEFP) beschäftigt. Aber auch meist gleich wieder verworfen. So ein Dauerpiercing, welches da dann immer aus dem Stumpf herausschaut – nein, sowas wollte ich nicht. Und dann die Infektionsgefahr bei sowas – bloß nicht.

Ich war wohl einer der größten Gegner einer EEFP.

Das änderte sich als eine sehr gute Freundin auf eine EEFP umgestiegen ist. Ich habe sie dann mit Fragen gelöchert. Wie sieht das aus? Wie ist das Gefühl? Hast du Schmerzen? Und so weiter. Sie hat mir alles gut erklärt und auch gezeigt.

Im April 2017 entschloss ich mich beraten zu lassen. Ich reiste in die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und Dr. Aschoff hat sich meinen Stumpf genau angeschaut und gesagt: „Ja, eine EEFP ist möglich!“ Im Juni 2017 habe ich mich beim Treffen der Endo-Exo-Gruppe an der MHH noch weiter informieren können. Mein Orthopäditechniker ist aus Tübingen auch angereist und wir konnten uns alles sehr genau anschauen und auch fragen.

Im Juni 2017 wurde an der MHH das Implantat in meinen Femur eingebaut. 14cm lang und 14mm stark. Mein Stumpf wurde dazu nochmal etwas gekürzt, damit alles passt. Schon 14 Tage später bin ich zum sogenannten Step zwei wieder in der MHH gewesen. Dort wurde das Stoma gemacht und der Doppelkonus wurde in das Implantat eingebaut.

4) Was hat sich für dich verändert mit EndoExo?

Seit September 2017 gehe ich nun mit einer EEFP und muss sagen, es ist toll. Ich kann die Prothese direkt ansteuern und schwimme nicht mehr in einem Schaft. Normales Sitzen ist wieder möglich. Keine Schmerzen mehr im ISG, da ich gleichmäßig auf beiden Beine stehe. Im Oktober dieses Jahres habe ich dann auch eine Prothesengebrauchsschulung bekommen. Das war eine sehr gute Erfahrung.

Selbst, wenn ich in der Nacht mal schnell zur Toilette muss, ziehe ich kurz meine Prothese an. Klick und das Bein ist dran. Meine Gehstrecken sind größer geworden und mein Gangbild hat sich extrem verbessert.

Morgens beim Waschen wird das Stoma mit einer hautneutralen Seife gereinigt und dann war’s das auch schon. Abends beim Waschen dann die selbe Prozedur nochmal. Mehr muss ich nicht machen.

Einer großen Vorteile einer EEFP ist sicherlich das man direkt auf der Prothese steht. Der Oberschenkelknochen ist nicht irgendwie schräg zur Achse im Schaft, sondern es ist eine Linie. Ich kann die Prothese direkt ansteuern. Jede Bewegung, die ich mit dem Oberschenkel mache wird direkt umgesetzt. Es ist nicht das echte Bein, aber es kommt dem schon näher als eine Schaftprothese. Als nächstes werde ich jetzt wieder mehr Rad fahren. Ich muss nur noch einen optimalen Halt für den Prothesenfuß finden. Auf kürzeren Strecken bin ich schon Zuhause.

Anwenderin mit Endo-Exo Beinprothese

 

1) PETRA was war der Grund für deine Amputation und seit wann bist du amputiert?

Ich bin seit 23 Jahren, nach einem Osteosarkom, linksseitig Oberschenkelamputiert. Viele Jahre war ich prothetisch gut versorgt , es gab keinen Tag ohne Prothese. Aber mit den Jahren kamen die Probleme. Der Schaft passte nicht, sorgte für Druckstellen, offene Wunden und ein schlechtes Gangbild und den Verlust der Lebensqualität, da ich immer weniger laufen konnte . Durch die lange Amputationszeit hatte sich ein Weichteilüberhang und ein wilder Knochenwuchs an der Knochenspitze gebildet.

Der Techniker hatte immer mehr Probleme mich zu zufriedenstellend zu versorgen. Selbst verschiedene Schafttechniken brachten keine Lösung. Schließlich riet er mir zu einer Nachamputation. Ich suchte mehrere Ärzte auf um mich beraten zu lassen.

2) Wie kam es zur Entscheidung die EndoExo-Versorgung machen zu lassen?

Keiner der Ärzte konnte mir zusichern, dass ich mit dem Ergebnis zufrieden sein werde. So begann ich mich mit der Endo-Exo Versorgung zu beschäftigen.
 
Für ein Beratungsgespräch ließ ich mir einen Termin bei Dr. Aschoff, damals noch in Lübeck, geben . Er machte mir Hoffnung. Meine Amputationsursache, der Krebs, ist ausgeheilt und mein Knochen ist stabil genug, um diese Versorgung zu wagen. Die Aussicht auf ein gutes Gangbild und keine Schmerzen mehr zu haben, ließen mich an dieser Versorgung festhalten .

Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht.
 
Horrorgeschichten über Keime spukten in meinem Kopf . Dann sagte ich mir wiederum, in den ganzen Operationen vor meiner Amputation hatte ich keinerlei Probleme, also warum jetzt? Ich habe ein gutes Immunsystem, ernähre mich gesund und rauche nicht, was ein ganz wichtiger Punkt ist!

So wurde ich am 1.11.2016 operiert . Ein 18cm langes Implantat, wurde in meinen Knochen geschlagen und die Weichteile reduziert. Der Knochen wurde dabei um 4cm gekürzt. Der Stumpf wurde wieder verschlossen und nach einer Woche in der Klinik wurde ich entlassen, mit dem nächsten OP- Termin in der Tasche.
Am 12.12. geschah Step 2 und war im Vergleich zu Step 1 ein Kinderspiel. Ich hatte keinerlei Schmerzen. Nach zwei Tagen, kam der Techniker und stellte mich auf die Prothese. Was für ein unglaubliches Gefühl!
Allerdings hatte ich zu Anfang Probleme die Prothese nach vorne zu bewegen. Fast 20 Jahre amputiert und ein stark atrophierter Muskel, zeigten mir erstmal, wie schwer die Prothese ist. Was aber vom ersten Stehen bis heute geblieben ist : Ich habe das Empfinden meine Prothese ist komplett durchblutet, meine Prothese fühlt sich warm an.

Ich durfte von Anfang an den Knochen voll belasten und ich hielt mich an die Anweisung von Dr. Aschoff. Auf den Körper hören und sich langsam steigern . Zwischendurch, bekam ich den Muskelkater meines Lebens, der mit einem normalen Muskelkater nicht zu vergleichen ist . Mein Stumpf brannte!

Im Mai begann meine Reha in der Münsterlandklinik in Bad Rothenfelde. 5 Wochen bekam ich täglich Krankengymnastik. Mein Gangbild
wurde immer besser und der Muskelkater kontrollierter. Die Stomapflege ist für mich unproblematisch.
Morgens dusche ich das Stoma aus ohne Seife, sondern nur mit Wasser.
Abends nehme ich ein Babyfeuchttuch mit Panthenol. Dann wird eine neue Kompresse um das Implantat gewickelt. Die Kompresse ist aus einem weichen Flies. Neuerdings nehme ich etwas Aleo Vera Creme und halte damit das Stoma geschmeidig .
 

3) Was hat sich für dich verändert mit EndoExo?

Wenn ich jetzt in Urlaub fahre ist alles so einfach. Meine Badeprothese kommt in den Koffer mit den Pflegemitteln. Ganz wichtig ist mein Schraubenschlüssel, damit ich die Prothese abnehmen kann . Ich habe zwei Stück: einen Kleinen für die Handtasche ( praktisch beim Hosenkauf 😅) und einen Drehmomentschlüssel der auf meinem Nachttisch liegt . Wenn ich nachts auf die Toilette muss stöpsle ich einfach die Prothese an. Dazu muss ich sie nicht mit dem Schlüssel sichern, es reicht den Ring am Gelenk zu schließen.

Heute habe ich kein Limit mehr , was meine Gehstrecke betrifft. An das Gewicht der Prothese hat mein Knochen sich gewöhnt . Ich gehe noch zweimal in der Woche zur Krankengymnastik. Meine Hüftbeugekontraktur ist nicht mehr vorhanden und meine Statik wird von Zeit zu Zeit überprüft. Ich kann wieder einen normalen Sattel an meinem Fahrrad nutzen, weil ja kein Schaft mehr stört. Die letzten beiden Sommer waren für mich angenehm, denn das schreckliche Schwitzen und Rutschen im Schaft gibt es nicht mehr.

Ich halte mich an die Anweisungen der Ärzte und springe nirgends runter oder beginne zu joggen oder eine Sportfeder zu nutzen . Aber ich gehe im Meer baden, was für mein Stoma gut ist. Auch war ich schon im Pool baden, allerdings habe ich danach sofort mein Stoma gepflegt. Nur in diesem Fall, benutze ich etwas Desinfektionsmittel. Ich gehe leidenschaftlich gerne tanze und kann meine Auftritte bei Konzerten ohne Erschöpfung stehend meistern.

Abschließend kann ich sagen, diese Versorgung hat mir meine Lebensqualität wiedergegeben. Ich bin jeden Tag dankbar, diesen Weg gegangen zu sein und hätte ich gewusst, wie gut es mir heute geht, wäre ich diesen Weg schon eher gegangen.

Jemand der als Amputationsursache eine Osteomelitis oder eine frische Krebserkrankung oder Diabetes hat, sowie als Kind amputiert wurde, ist aktuell ausgeschlossen von dieser Art der Prothesenversorgung.

Wer sich gerne selbst eine medizinische Meinung einholen möchte, findet unter folgenden Links den Kontakt:

https://www.mhh-unfallchirurgie.de/endo-exoprothetik

https://www.bmab.de/die-endo-exo-prothese/

https://www.osseointegration-germany.de

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