Perspektivenwechsel mit Michaela Untersehr

Perspektivenwechsel mit Michaela

Heute am 4.11. ist CRPS Tag! 

Wie davon habt ihr noch nie gehört?

Denkt euch nichts dabei, ich habe selbst erst vor kurzer Zeit erfahren, dass es dieses Syndrom überhaupt gibt und was es für die Betroffenen bedeutet. Ich muss euch sagen, dass ich aus allen Wolken gefallen bin, als ich von den möglichen Auswirkungen gehört habe und bin sehr froh, dass uns die liebe Michaela, die seit vielen Jahren mit CRPS kämpft, einen Einblick gibt in ihre Welt und diese noch ziemlich unerforschte Erkrankung.

Was ist die Definition von CRPS? 

CRPS steht für Complex Regional Pain Syndrome (komplexes regionales Schmerzsyndrom). Das CRPS ist eine chronische neurologische Erkrankung, die nach einer Weichteil- oder Nervenverletzung, häufig in Zusammenhang mit der Fraktur einer Extremität auftritt. Für das CRPS vom Typ I wird häufig noch die ältere Bezeichung „Morbus Sudeck“ verwendet – benannt nach ihrem Entdecker Paul Sudeck (1866-1945), einem Hamburger Chirurgen.

Nachfolgend schildert uns Michaela wie bei ihr das CRPS ausgelöst wurde und was für Herausforderungen sie sich seitdem stellen muss. Ich kann euch allerdings jetzt schon sagen, dass das nichts für schwache Nerven ist und das Michaela meinen vollen Respekt hat wie sie ihr Schicksal meistert. Aber überzeugt euch selbst!

1) Wie und wann wurde CRPS bei dir diagnostiziert?

Der Treppensturz am 16.12.2013 hat bei mir die Erkrankung CRPS ausgelöst. Durch den Sturz hatte ich Prellungen an beiden Knien und an der rechten Gesichtshälfte. Das massive Trauma im linken Knie hat das CRPS ausgelöst. Die Diagnose vom komplexen regionalen Schmerzsydrom erhielt ich im Mai 2014, mir wurde damals die Erkrankung nur mit den Worten „so sagt man eben zu chronischen Schmerzen“ erklärt und es sei ja alles nicht so schlimm.
Hätte ich damals schon gewusst bzw. ausführlich die Erkrankung erklärt bekommen, wäre vermutlich der Verlauf nicht so schlecht. Da ich aber auf meinen Orthopäden und Schmerzarzt vertraut habe, habe ich Alles mit mir machen lassen, in der Hoffnung die Schmerzen werden endlich verschwinden.

2) Wie kam es im Rahmen von CRPS zur Amputation?

Da die Schmerzen nicht weniger wurden und laut dem MRT Bericht von Ende Dezember 2013 mein Innenband angerissen war, überlegten die Ärzte wie es weitergehen soll und beschlossen eine OP.
Da ich den Ärzten vertraut habe, ließ ich mich auf die Operation ein. Es sollte das Innenband versorgt werden und das was sonst kaputt ist behoben werden. Mein damaliger Orthopäde sagte mir bei dem Vorgespräch „Frau Untersehr, keine Sorge in 12 Wochen sind sie wieder fit!“
Die Operation, also ein weiteres Trauma, hat mein CRPS erst Recht angefeuert. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, die Bewegung im Knie immer weniger. Weitere Behandlungen und stationäre Aufenthalt in der Klinik verbesserten meinen Zustand nicht.
Deshalb wurde ich im August 2015 in der Uni Ulm nochmals zur multimordalen Schmerztherapie aufgenommen. Dort wurde mir über mehrere Tage ein Schmerzkatheter in der Leiste gelegt um mein Knie zu beruhigen. Durch dieses weitere Trauma breitete sich mein CRPS aus. Mein komplettes Bein von den Zehen bis über das Knie waren betroffen, ich konnte keine Berührung und keine Socken mehr ertragen.

Eine Verschlechterung trat durch die Therapie dort ein, ich kam in die Klinik mit Knieschiene und Unterarmgehstützen und verließ die Klinik im Rollstuhl.

Trotz der Verschlechterung wurde ich nach Hause geschickt. Zu Hause verschlechterte sich mein Zustand massiv. Ich konnte weder Socken, noch Schuhe, keine Kleidung, keine Berührungen oder Sonstiges an meinem Bein ertragen. Die Schmerzen waren nicht mehr auszuhalten.

Weitere 2 Aufenthalte in der Uni Klinik brachten keine Besserung.
Bis Februar 2016 verschlechterte sich der Zustand vom Bein so massiv, dass die letzte Hoffnung eine SCS Gerät war, dies ist eine Stimulation am Rückenmark über elektrische Impulse, welchen den Schmerz unterbinden sollte in das zentrale Nervensystem zu kommen.
Auch diese Operation förderte mein CRPS.
Durch eine Missgeschick einer Pflegekraft die versehentlich mein Bein berührte bildeten sich Blasen am Bein diese sich zu Nekrosen bildeten.

Im April 2016 musste dann die Beinamputation durchgeführt werden.

Für eine kurze Dauer von 3 Monaten war ich einigermaßen schmerzfrei, konnte in dieser Zeit auch das Laufen mit einer Prothese erlernen. Der Rückschlag kam im Oktober 2016, die Erkrankung ist erneut ausgebrochen. Geballt kam es dann im Februar 2017, da breitete sich mein CRPS an der rechten Hand aus, mit rasanter Verschlechterung in kürzester Zeit konnte ich die Hand nicht mehr nutzen. Durch Therapien für die Hand, ist auch meine rechte Gesichtshälfte betroffen und ich habe immer wieder Schmerzen.

3) Wie schränkt dich CRPS in deinem Alltag ein?

Meine Erkrankung schränkt mich sehr ein. Durch die massiven Schmerzen, muss ich starke Medikamente einnehmen, welche kaum Linderung bringen.
24 Stunden massive Schmerzen zu haben, nachts nicht schlafen zu können zermürbt einen sehr. Ich kann durch die Schmerzen keine Hosen anziehen und keine Jacken oder Pullis, da durch die Berührungen von Stoff der Schmerz noch stärker wird und meine Haut mit Blasen darauf reagiert. Dass heißt Sommer wie Winter leichte Röcke und Oberteile die weit genug sind, um mit der Beugekontraktur der Finger und das Handgelenks durchzukommen.

Ich bin immer auf jemanden angewiesen, ich brauche Hilfe bei der Körperpflege, beim An- und Ausziehen, zum Essen zubereiten, zum umher fahren etc.

Mit der Zeit hat man sich eine Mauer um sich herum aufgebaut, dass die Menschen nicht sofort sehen wie schlecht es einem geht. Durch die Erkrankung habe ich viele Menschen verloren, da sie nicht mit ansehen können wie es einem geht.
Die Kämpfe mit Behörden und der Krankenkasse rauben einem die letzten Kräfte, jegliche Erleichterungen für den Alltag werden nicht genehmigt.

Seit Mitte 2018 sollte mein Stumpf operiert werden, da ich zusätzlich zum CRPS weitere Probleme habe, die mir den Alltag erschweren. Nur leider traut sich kein Arzt mich zu operieren, da keiner weiß was bei einem weiteren Trauma passieren könnte.

Dass heißt es wird gewartet bis die Situation eskaliert, bis es zu einem Notfall kommt und notoperiert werden muss.

Man steht alleine da in jeglicher Hinsicht…. alleine und verlassen….
Nur meine Familie steht hinter mir und unterstützt mich wo sie nur können!

Eigentlich möchte ich doch nur eine normale Mama für meine Tochter sein!

Arbeiten können wie jeder andere Menschen und leben dürfen!!!

4) Welche Auswirkungen hat die Erkrankung in Zusammenhang mit der Amputation?

Dass es bei einem CRPS bis zu einer Amputation kommt, ist überhaupt nicht der Regelfall. So ein dermaßen schlechter Verlauf ist nicht üblich.

5) Was möchtest du noch gerne loswerden und soll die Welt über dich erfahren?

Die Aufklärung über CRPS bei uns in Deutschland ist eindeutig zu wenig! Viele Ärzte haben kaum Ahnung von dieser Erkrankung. Im Studium wird die Erkrankung angekratzt, nicht mehr. Die Ärzte sollten deutlich mehr geschult werden!!

Da es zu wenige Menschen haben, wird kaum geforscht. Die Forschung sollte gefördert werden! Menschen die über starke Schmerzen klagen, nach „banalen Eingriffen oder Unfällen“ sollte mehr Gehör geschenkt werden. Eine sehr frühe Erkennung von CRPS kann ein Ausbrechen bzw. eine Verschlechterung verhindern! Jeder CRPS-Betroffene sollte von den Krankenkassen, Arbeitsamt, Behörden usw. einzeln begutachtet werden und die dementsprechend benötigten Hilfsmittel sollten zur Verfügung gestellt werden!!

Durch die Erkrankung verliert man Alles- seine Freiheit, seine Lebensfreude, sein Leben, seine Freunde, seine Famile, seine Arbeit, seine Existenz!!!

Und dann soll man noch die Kraft haben sich notwendige Medikamente, Behandlungen, Hilfsmittel, Krankengeld, Rente, Versicherungen usw. noch zu erstreiten!!

Wir sind doch auch nur Menschen und haben ein Recht zu leben!

Man kann sich glücklich schätzen für jeden einzelnen Tag den man aufstehen kann und weiter kämpfen kann!!

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