Meine Behinderung ist keine Inspiration!

 

Superman nachdenklich

Wer von euch ist regelmäßig auf Instagram und Co. unterwegs?

Was mich doch immer wieder wundert ist, dass Jeder individuell sein will und dann doch der 1.000.000 Food-Post oder austauschbare Gym-Fotos zu sehen sind.

Schon klar, wenn man nach tiefsinnigem Content sucht, dann ist man hier fehl am Platz. Ich finde es auch gut, wenn Amputees zeigen wie ihr Alltag aussieht, aber teilweise entwickelt sich da ein echter Wettbewerb daraus.

Diese Selbstdarstellung langweilt mich teilweise echt extrem.

Letztens habe ich ein Interview gegeben und hatte das Gefühl, dass durch die ganzen Prestigebehinderten, die in den Medien gezeigt werden, ein Bild gezeichnet wird in der Öffentlichkeit, als wär so eine Amputation ja jetzt nicht so dramatisch.

Alle ganz easy mit Prothesen: Marathon laufen, Berge besteigen usw. Machen die Prothesen wie von alleine oder? NEIN!

In dem Interview musste ich erstmal klar stellen, dass meine Prothesen von alleine gar nix machen, als doof in der Ecke rumstehen und einstauben, wenn ich nicht dafür sorge, dass sie an die frische Luft kommen.

Heiße Temperaturen setzen einem viel mehr zu als früher, unerträgliches Schwitzen im Liner, offene Stellen und Blasen, Entzündungen, Druckstellen, Neurome, Nachamputation, Verschleiss der Passteile usw. usw. usw. das Alles und noch viel mehr ist der Preis den man zahlen muss, um wieder laufen zu können!

Wer zeigt das auf Instagram und Co.? Die WENIGSTEN! Und dann kommt mir bitte nicht mit #mehrrealitätaufinstagram, denn für mich ist Jemand nur authentisch der auch die negativen Seiten zeigt.

Nachfolgenden Artikel habe ich euch bereits auf meiner facebook Seite verlinkt, da ich ihn aber sehr passend an dieser Stelle finde, teile ich ihn nochmal mit euch. Darin findet ihr unter anderem die Ergebnisse einer Studie, die 515 Amputierte bis zu vier Jahre nach der Amputation befragte. Die allermeisten, 87,1 Prozent, hatten eine Prothese. Aber weniger als die Hälfte – 41,4 Prozent – konnte damit genug gehen, um den Alltag zu meistern. Viele liefen trotz Prothese kaum mehr als wenige Minuten. Sie brauchen einen Rollstuhl. Zwei Drittel sind nach dem Eingriff deshalb auf die Hilfe von Angehörigen oder Fremden angewiesen.

https://www.riffreporter.de/unverkaeuflich/amputation-prothese/?fbclid=IwAR1_yc3jTRhvu4QbAz4n57Vrjb7bCNPSxxoHxcmnCsM8FFTq7Y3cNcTz0OI

Die Gesellschaft macht uns zu Motivationsobjekten

Aktuell für mich bestes Beispiel ist Amy Purdy. Seit ihrem 19 Lebensjahr ist sie beidseitig Unterschenkelamputiert und war für mich eine Bereicherung während meinem Rehaprozess. Was hat sie nicht Alles gemacht von Snowboarden, Tauchen, Tanzen in TV-Shows, um die Welt reisen und dann?

Von 100% auf 0 aufgrund eines Blutgerinsels in einem ihrer Beine. Prothesenverbot für nun fast ein halbes Jahr! Rollstuhl! Krankenhaus!

Daran hat sie ihre über 300 TSD Follower teilhaben lassen und auch daran wie schlecht es ihr psychisch ging, als sie mit ihren Grenzen durch ihre Behinderung konfrontiert wurde. Jetzt ist sie ausgebremst und muss unfassbar viel Geduld aufbringen und ihrem Körper Zeit zu heilen geben.

Ich bin froh, dass Jemand auch Tiefpunkte öffentlich teilt. Jeder von uns hat mal schlechte Tage, oder Wochen oder sogar Jahre! Warum wollen wir immer allen Anderen weiß machen, dass es nichts gibt was uns aufhält oder zumindest hin und wieder bremst.

Nein meine Behinderung ist nicht in meinem Kopf-> sie ist real!

Nein im Leben ist nicht Alles möglich!

Nein meine Behinderung ist nicht dafür da, dass du dich im Vergleich zu mir besser fühlst!

Nein ich muss nicht immer stark sein!

Und nein, du kannst nicht nachempfinden wie es mir ging, weil der Schwippschwager deiner Uroma sich irgendwann beim Holzhacken den kleinen Zeh selbst amputiert hat!

Meine Stärke kommt von innen und nicht durch die ständige Bestätigung von außen. Natürlich freue ich mich über positive Rückmeldung und mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich überwinden mich anzusprechen, anstatt mich anzustarren. Aber für mein Selbstwertgefühl bin ich darauf nicht angewiesen.

Für mich ist mein Blog und meine Aktivitäten auf Social Media keine Selbstbeweihräucherung, weil ich mich so besonders und unverwundbar fühle, sondern notwendig weil es immer noch zu wenig Menschen mit Behinderung gibt die LAUT sind.

Einen tollen Talk dazu hat Stella Young gehalten und ich finde sie bringt das Thema ziemlich auf den Punkt.

Wie seht ihr das? Lasst mal hören, ob Stella und ich die einzigen sind, die so über unsere Wahrnehmung in der Gesellschaft denken oder ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt.

Wie fühlt ihr euch dabei? Ist das Diskriminierung oder berechtigt, eine Auszeichnung zu bekommen, weil man sein Leben mit Rollstuhl lebt?

Erzählt mal eure Geschichten aus dem Alltag- bin gespannt!

Eure

Dani

8 Kommentare zu „Meine Behinderung ist keine Inspiration!

  1. Verstehe dich voll und ganz. Ich war selbst so naiv und liess mich durch die ach so tollen Möglichkeiten mit Amputation in meiner Verzweiflung leider dazu verleiten, dafür bin ich dzt. zumindest Pflegefall, brauche noch viel mehr Schmerzmittel und kann gar nichts mehr machen ausser kurze Spaziergänge. Ich glaubte leider denen die mir die Superwelt mit Amputation vorgespielt haben inklusive dem Chirurgen der sie durchführte, dzt. kann ich nicht mal Autofahren so voll bin ich mit Opium, psychisch bin ich natürlich auch nicht gut drauf, und noch schlimmer ist es da meine Familie mit reingezogen wurde. ob mir was hilft weis ich nicht. habe mich mal auf meine letzte chance der linderung begeben und versuche halt die Suralisprothese, die OP ist seit einem Monate hinter mir, bisher noch keine Änderung, aber angeblich ist es ein langsamer Prozess und der Nerv wächst nur um einen mm ein. noch halte ich durch obwohl es nach 4 Jahren ständigem starken Schmerz schon sehr schwer ist. ich finde deinen Blog total richtig.

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  2. Sehr gerne, liebe Daniela. Ich begleite ja auch Menschen dabei, diese neue Situation für sich annehmen zu können und sich eine Basis für ihr neues Leben zu schaffen. Immer wieder. Herzlich, Anne

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  3. Liebe Anne, vielen herzlichen Dank für dein tolles Feedback und für die Einblicke in dein Leben!
    Ich freue mich, dass du dich in dem Artikel wiederfinden konntest und wir manche Ansichten teilen.
    Finde es toll, dass du auch einen Blog gegründet hast und die Menschen auf deinem Weg mitnimmst. Ich hab dir eine Anfrage auf LinkedIn geschickt. Würde mich freuen, wenn wir im Austausch bleiben. Herzliche Grüße, Daniela

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  4. Hallo Dani, ach, ich liebe diesen Text, danke dafür. Auch dein Ton, klasse. Ja, Stärke kommt von Innen, absolut. Woher sonst?

    2019 habe ich lange nachgedacht, bevor ich mit meinem SEHHELDIN-Blog nach außen ging. Ich diene weder für Tschakka noch wollte ich von der professionellen Organisationsentwicklerin und Coach zur Anne mit der Seheinschränkung werden. Bühne kann ich mir vorstellen, Podest nicht.

    Ich habe es trotzdem gemacht, weil ich dachte: Wer ich sein will, wie ich wahrgenommen werden will, das kann ich – so meine Hoffnung – auch steuern. Ich bin irgendwo auf der Reise zwischen normalsehend und offiziell sehbehindert. Das ist ein knallharter Prozess, unsichtbar und ungesehen. Ich konnte nirgendwo etwas finden, was ich professionell fand zu all den Lebensfragen, denen wir in so einem Prozess begegnen: Wer bin ich jetzt? Wer will ich sein? Wie nehme ich an, was mir da widerfährt? Wie begegne ich meinen Ängsten? …

    Mich frustrieren und irritieren Tschakkageschichten auch. Nein, es ist nicht alles easy. Nein, ich kann nicht mehr die gleichen Dinge wie mit besseren Augen. Nein, es scheint nicht jede Minute die Sonne. Ist ja nicht Hollywood, sondern das Leben. Aber: Ich hadere nicht, ich frage nicht warum, ich schaue zuversichtlich in meine Zukunft. Weil ich sehr bewusst eine innere Entscheidung getroffen habe, dass ich doch mehr Lust auf Leben habe als auf Hadern und Opfer-Sein. Will ich laut sein? Ja, wenn es auf deine Weise geschieht, bin ich dabei. Herzlich, Anne (Niesen, aka SEHHELDIN)

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  5. Ich lese nun mal hin und wieder auch Sachen, die mich nur am Rande interessieren und das fiel mir bei dir auf. Jeder nach seiner Fasson, immerhin habe ich es gelesen, bei neun von zehn Blogs gebe ich vorher entnervt auf. Und gerade weil ich es gut fand, wollte ich dazu was sagen, mehr nicht.

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  6. Manchmal darf man wütend sein und zum Glück kann ich auf meinem Blog ungefiltert so schreiben, wie ich es in diesem Moment fühle. Wer nur die Sonnenseiten sucht, der wird hier sicher nicht glücklich, aber Sonnenschein wirft nun mal auch Schatten. Wer sich die Zeit nimmt mehr als diesen einen Artikel von mir zu lesen, der wird eine differenziertere Meinung dazu haben denke ich

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  7. Ich fände deinen Blog gut, na ja, besser, wenn du vielleicht nicht ganz so wütend wärst. Auch wenn du es nicht glaubst, ich kann deine Wut verstehen. Aber sie nützt dir rein gar nichts. Dir nicht, deinen Zielen nicht, der Amputiertengemeinde schon gleich dreimal nicht. Die Wut ist verständlich, aber etwas konzilianter und nicht ganz so verbissen, täte deinem Blog sicher gut.
    Außerdem bin ich unsicher, wen du ansprichst, mal die Amputierten, mal die ohne abbes Bein oder Arm. Wenn du jemand speziellen ansprichst, dann sorg am besten dafür, dass es zu glichen Teilen beide Fraktionen sind, sonst bekommt eine garnatiert keine große Lust, lange weiterzulesen.

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